Das ist für manche Freunde der Carrera-Rennbahn fast undenkbar. Sie haben schon in ihrer Kindheit damit gespielt und sind heute mehr als fasziniert von dem Fortschritt der Technik. Norbert Kuba zum Beispiel ist Mitglied im Slotcar-Verein Slotdevils aus Wien-Donaustadt und wenn er über sein Hobby schwärmt, glaubt man, er wäre ein Motorsport-Mechaniker. Er kennt sich bestens aus mit Fahrverhalten, Reifen-Mischungen und Chassis der Slotcars.
US-Amerikaner erfindet Slotcars
Der US-amerikanische Erfinder Joshua Lionel Cowen hatte 1911 beim Rennen „500 Meilen von Indianapolis“ die Illusion, so ein Rennen als verkleinerte Spielzeug-Rennstrecke in die Kinderherzen zu bringen. Der Begriff „Slotcar“ ist vielen Anhängern nicht bekannt, die Marke „Carrera“ wird dagegen allseits geschätzt. Sie bezeichnet Spielzeugrennbahnen, auf denen elektrisch angetriebene Modellautos spurgeführt bewegt werden. Bereits ein Jahr später wurde die erste Spielzeugrennbahn verkauft, aufgrund ungenügender Steckdosen in amerikanischen Haushalten war der Verkaufserfolg jedoch belanglos. Deshalb wurde 1915 die Produktion eingestellt. Einige Jahre später, 1939 nahm der Amerikaner Edward Cullen das Projekt nochmals auf und schaffte 1957 den Durchbruch mit einer farbenfrohen Rennbahn mit variabel verknüpfbaren Schlitzschienen. Dieses Mal verlief der Vertrieb erfolgreich und die Mini-Rennbahn begeistert noch heute Erwachsene und Kinder in aller Welt.
Carrera erobert Deutschland
Die Mini-Rennbahn wurde in Amerika ein Verkaufsschlager und in den 60er- und 70er-Jahren entwickelte sich Slotcar-Racing in den USA zum echten Volkssport. Gleichzeitig befand sich ein deutscher Spielzeugfabrikant auf Geschäftsreise in den Vereinigten Staaten. Der Nürnberger Hermann Neuhierl bemerkte den Erfolg und plante, seinen Heimatmarkt zu erobern. Neuhierl präsentierte 1963 unter dem Markennamen Carrera seine individuelle Rennbahn und ist seitdem weltweiter Marktführer.
Slotcar in österreichischer Hand
Im Jahr 1999 übernahm Dieter Stadlbauer den Betrieb und Carrera lag künftig unter österreichischer Leitung. Nach dem Ableben Stadlbauers 2015 erbte sein Sohn Andreas das Unternehmen mit Sitz in Puch bei Salzburg, dessen Jahresumsatz 2017 bei 170 Millionen Euro lag. Eine offizielle Nennung, wie viele Liebhaber der Slotcars in Österreich leben, gibt es nicht. Auf der Wiener Modellbaumesse lieferte Norbert Kuba den möglichen Beweis über die Ausbreitung der ansässigen Slotcar-Fangemeinde. Die Slotdevils wurden während der Messe gebeten, eine Rennbahn zusammenzusetzen. Überraschenderweise fanden sich zahlreiche Interessenten zum Helfen ein. Das bewies damals, dass erstaunlich viele Kleingruppen sich regelmäßig zum gemeinsamen Fahren im Garten, Keller oder am Dachboden treffen.
Jede Veranstaltung unter eigenen Regeln
Sture Vorschriften gibt es beim Slotcar-Racing jedoch nicht. Jeder Rennveranstalter hat die Handhabe, individuelle Regeln für seine Rennbahn aufzustellen, an die sich jeder Teilnehmer halten muss. Das können beispielsweise Vorgaben bezüglich der Bereifung oder des Gewichts sein. Jeder Teilnehmer darf seine eigenen Tipps und Tricks dazu anwenden, um die Vorgaben zu erfüllen. Auf diese Weise versucht der Veranstalter scharenweise Fahrer zu mobilisieren und zu fordern. Dabei ist jeder einzelne Fahrer in jeder Beziehung für sein Auto zuständig.
Optimierung bis ins kleinste Detail
Bei der Optimierung der Cars ist die Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit das Wichtigste. Möglichst leichte Karosserien helfen hier, das Maximum heraus zu holen. Parallel dazu wird das Fahrzeug durch kleine Blei-Elemente oder Magnete beschwert, sonst fliegt es zu leicht aus der Bahn. Bei der Bereifung heißt es, wie im realen Motorsport, den Mittelweg zwischen Leistung und Verschleiß durch experimentieren zu finden. Bei der Optimierung vergehen manchmal Wochen, denn nur das Ergebnis zählt.
Handregler ermöglichen finales Feintuning
Über die Handregler wird ein letztes Feintuning durchgeführt. Grandiose Auswirkungen auf die Zielzeit oder ob das Slotcar auf der Bahn bleibt, können mit minimalen Änderungen an den zahlreichen Drehrädern des Reglers beeinflusst werden. Auf diesem Wege kann abschließend noch ein finales Feintuning in punkto Beschleunigung, Gleitfähigkeit oder Bremsverhalten durchgeführt werden. So kann das Slotcar beim Training oder vor dem Start optimal an die Rennbahn angepasst werden. Jedes Spielzeugauto kann über einen Handregler optimiert werden und ist betreffs Fahrverhalten somit einzigartig.
24-Stunden-Slotcar Rennen in England
Norbert Kuba hält von dem gesamten Tuning nicht allzu viel. Er fährt lieber mit Ausdauer als mit Geschwindigkeit. Deshalb nahm er mit seinem Team an einem 24-Stunden-Rennen in England teil. Die Teilnehmer wechseln sich ab, während die Slotcars den ganzen Tag ununterbrochen auf der Bahn kreisen. Die Aufgabenverteilung ist klar definiert: Einer fährt, der andere setzt das Fahrzeug wieder in die Bahn und ein anderes Teammitglied repariert bei Bedarf. Alle teilnehmenden Fahrzeuge müssen auch nachts bei totaler Dunkelheit ihre Runden ziehen und sind zur Wiedererkennung mit Lichtern versehen.
In der Königsklasse mit 160 km/h fahren
Diese technisch ausgereiften Slotcars haben mit herkömmlichen Spielzeugautos nichts mehr gemeinsam, das ist auch am Preis zu merken. Fahrzeuge im Maßstab 1:32 kosten etwa 80 €, die größeren 1:24-Autos kosten bereits 200–300 Euro. Die so genannten Wingcars sind noch teurer, sie machen die Königsklasse des Slotcar-Racings aus, zumal sie auf eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h beschleunigen. Dabei bilden sie bei einer Bahnlänge von 47 Metern Rundenzeiten von 1,5 Sekunden.